SCOTT HENDERSON - Well To The Bone (ESC Records 03683-2, 2002)
File under: “between all chairs”.
Ja, wie jetzt ? Okay, vertrackt, kopflastig. Schwer verdauliches Grundgerüst. Ein toller Gitarrist – angejazzt. Kennt man und........hört man weg. Zu schwierig, nicht einzuordnen. Aber geniale Gitarrenläufe, ungewöhnlich, aber virtuos wie seit Danny Adler nicht gehört. Wie macht man solche Musik ? Professoren-Rock, Doktoren-Blues, alles durchorganisiert, und jeder noch so schräge Gitarreneinwurf gereissbrettet – meint man. Aber irgendwas stimmt hier nicht: Denn die ganze Scheibe verzaubert die Gehörgänge. Ich hatte da mal diese Dead-Geschichte gekauft, da hab ich solcherlei Mucke schon mal gehört, und da passierte dasselbe: Man will nicht abstellen, man will immer weiterhören, wird süchtig nach diesen verqueren Gitarrenläufen, weil sie so herrlich fliessen, so abstrus sie bisweilen gespielt sind, so faszinieren sie einem: Jazz Is Dead. Mehr kenne ich nicht, vertrage ich wohl auch nicht.
Aber Scott Henderson – ein Name, für mich so bekannt wie Dr. Schall und Prof. Rauch. Sicher einer der ganz Grossen, wenn man nicht immer nur doofe Bluesplatten und cowboygestinkstiefelten Köntri anhören würde. Die Arrangements dieser „Songs“ (??) sind schlicht nicht von dieser Welt. „Lady P“ – der Einsteiger. Masslos überkopft, genialistisch gerifft, von einer unglaublich witzig/intelligenten Virtuosität. Irgendwo schwer verdauliche Jazzkost, aber mit einer Leichtigkeit hingeselbstverständlicht, dass es eine Freude ist, zuzuhören. Bei Track Zwo kommt der Jazz in den Kuhstall: „Hillbilly in the Band“. Da wird dann schon auch mal ein überdrehtes Banjo hervorgekramt, das stilistisch mit gelebtem Stetson-Howdyismus wahrlich nicht mehr viel am selbigen (also am Hut) hat. Mit einer irrwitzigen Geschwindigkeit wirbelt sich der Drummer im letzten Teil dieses vollspeedigen Tracks um Kopf und Kragen. „Devil Boy“ trägt dann viel hendrixsches, wenngleich ziemlich mysteriöses Rockjazz-Gefrickel als Grundzug. Dass man bei einem solchen Track dann auch noch singen kann (auch hier lässt Jimi grüssen), vermag wohl ein gebildeter Herr nachzuvollziehen, alleine: Da fehlt mir der Intellekt. Aber klingen tut’s einfach mördermässig. Würde Jimi heute wohl auch solche Musik machen ? Auch wenn mitten in dem verfrickelten Track auch mal bluesig/hawaiianische Klänge zwischengeworfen werden ?
Danach wird’s richtig steelydänisch, und man muss zweimal ins Cover gucken, um’s zu glauben: Altflöte Thelma Houston herself singt sich durch diesen grandiosen, ähem, er nu widder: „Jazz“ ?? Mindestens ein paar Lenze muss die grosse alte Dame schon auf’m Buckelchen haben, alleine: Ihrer Stimme merkt man’s nicht im mindesten an. Da gibt’s 20 jährige Singdrosseln, die nicht diese Kraft in ihrer Stimme haben. Was hat Scott Henderson sich wohl dabei gedacht, ausgerechnet Thelma Houston zu holen, wenn die dann hier singt, als gelte es, eine perfekte Symbiose aus Beth Hart und Janis selig auf’s Band zu bringen ? Und meine Fresse: Dieses Gitarrensolo wieder! Das läuft einem kalt den Rücken runter. Ich hatte da mal so eine Bissonette Platte, die ging in eine ähnliche Richtung, hat aber schon bald in meinem CD Player voll ausgekopft. Hier bin ich mir nicht so sicher.
Das ist eine dieser seltenen Scheiben, mit der ich wohl meine engen Freunde überraschen werde. „Well To The Bone“ – der Titeltrack. Das ist so ein Danny Gatton Groove, der auch wieder von Thelma Houston's grandioser Vokalarbeit getragen wird. Mann, hat diese Frau noch immer Soul in ihrer Stimme. Hier soliert Scott Henderon in einer schwer an Katon oder Bonamassa erinnernden Manier, um danach auch wieder ein bisschen im Jimi-Feld rumzupflügen. Der Mann bietet eine unwahrscheinliche Virtuosität mit seinem Gitarrenspiel. Diese Solis sind einfach hammermässig. In „Ashes“ geht es wunderbar verhalten zu, Jazz für Geniesser, bis.........Scott den Rocker hervorkramt und ein bisschen den Allman-Altmann Warren Haynes mimt. Glaubst Du nicht ? Ist aber so. Es ist schier unmöglich, in einen einzigen Track soviel Virtuosität zu packen, ohne dass man überfordert den Kopf schüttelt – Spock würde sagen: „faszinierend“! Achtung, jetzt wird’s rischtisch exotisch: „Sultan’s Boogie“. Scott mimt den volltrunkenen Araber mit ein bisschen Surfbrett als Gehhilfe. Das ist ganz formidabel, und ohne jeglichen störenden Feinsand im Getriebe. Auch hier – wie bei etlichen anderen Titeln des Albums – scheint der Mann immer haarscharf zu verhindern, vom Jazz in den Rock zu kippen. „Dat’s Da Way It Go“ ist ein waschechter Jazz-Funk inklusive rhythmisch total anmachender Percussions. Tolle Vokalarrangements, hier vorgetragen von Wade Durham und Thelma Houston.
Und auch hier wieder ein Gitarrensoloteil mit unglaublicher Dynamik. Wah Wah-Rockgegniedel in Perfektion. Dann zerfleddert der Song in eine durchaus psychedelisierte Clinton/Funkadelic-Geschichte, die zwar bisweilen etwas skurril wirkt, aber auf jeden Fall rhythmisch perfekt zusammenhält. „That Hurts“ ist dann ein verdammt schweinegeiler Blues, mächtig, klotzig, aber ungeheuer virtuos, wie alles auf dieser exzellenten Scheibe. Den Abschluss dieser gewaltigen Scheibe leiten dann sanftbrisig andalusische Klänge ein: Wunderbar stimmig gleitet das Intro hinüber in eine Salsa aus spanischem Traditional und viel Jazzgefühl der Marke Al Di Meola. Ganz lassen kann er’s dann aber doch nicht, und so wütet und prügelt sich Scott Henderson dann noch einmal aufbegehrend durch den sich anbahnenden Schluss des Tracks, der einem dann allerdings durch den etwas durchtrieben jazzigen Abschluss noch ratloser zurücklässt als es der Beginn der Platte tat. Eine wahre, nicht alltägliche Perle musikalischen Schaffens.
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