ANNO DOMINI - On This New Day (Deram SML R-1085, 1971)
Zu Beginn der 70er Jahre gab es etliche Stilvermischungen, die dann im sogenannten Progressive Rock-Schublädchen abgelegt wurden und der Tenor lautete damals so in etwa: Alles, was nicht absolut stilfest ist, wird progressiv genannt und kriegt dadurch einen Hauch von Exotik, Verschrobenheit oder gar Exklusivität. Dabei waren den musikalischen Phantasien der Musiker keine Grenzen gesetzt. Ob Hard Rock mit Psychedelik, Free Jazz mit Blues - da gab es keinerlei Scheuklappen, wenn man irgendwie anders sein wollte.
Solche Musiker wurden dann oft bekannt im Verhältnis zu ihrer Verschrobenheit : also praktisch gar nicht. Und da Vieles damals Produzierte eben schon sehr abseitig gewesen war, hat man auch kaum irgendwelche Bandnamen oder Namen von Musikern länger als einen Apfel essen behalten können. Meist versanken solche Interpreten schon kurze Zeit nach dem Veröffentlichen eines Werks wieder in der Versenkung.
Auch die Truppe Anno Domini hatte ein wahnwitziges musikalisches Konzept am Start, nämlich irische Folklore mit brachialem Hard Rock zu mischen. Der Hard Rock fand jedoch fast ausschliesslich dadurch statt, dass das feinfühlige Folk-Duo Kerry Scott und David Mercer aus Dublin in Tiger Taylor einen Berserker an der Stromgitarre in ihren Reihen hatte, der eigentlich alles Filigrane, das die beiden leisen Musiker noch liebevoll komponierten, quasi mit der Axt niederknüppelte.
Trotzdem fand das Konzept Anklang beim Decca-Unterlabel Deram, das für die Vermarktung von progressiven Bands und dem Erspähen und Fördern von "neuen" Künstlern, die sich abseits des musikalischen Mainstreams bewegten, zuständig war, und die Band erhielt einen Plattenvertrag. Im Tonstudio zähmte sich die Band dann aber selber und nahm gerade mal noch vier deftige Rocknummern auf. Der Rest war mehrheitlich typische Folkmusik in bester irischer Tradition, die erstaunlich reif wirkte und auch hervorragend eingespielt und gesungen wurde.
So gut die Platte am Ende dann aber geworden war: Es wollte sie niemand kaufen und so ging die Band schon bald in die Knie, als Tiger Taylor die übrigen Bandmitglieder verliess, um nach einer Solokarriere Ausschau zu halten, nach welcher er aber ebenfalls vergeblich suchte. Was bleibt, ist ein Album von toller Qualität, gespielt von musikalisch zwar sehr kompetenten Musikern, denen allerdings das selbst gestrickte Stil-Konzept einen dicken Knüppel zwischen die Beine legte.
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